Society for Women in Philosophy Switzerland

Lektüreworkshop

"Theorien der Herrschaft in der Familie im modernen Naturrecht: historische und feministische Perspektiven der Interpretation. - Théories de la domination au sein de la famille dans la tradition du droit naturel moderne: interrogations historiques et féministes." mit Prof. Dr. Simone Zurbuchen

Mittwoch, 28.03.2018, 18:15 Uhr

In dieser Sitzung der Feminist Philosophy Lesegruppe diskutieren wir gemeinsam mit Prof. Dr. Simone Zurbuchen (Université de Lausanne) zwei ihrer Aufsätze: "Ist Lockes politische Philosophie ,sexistisch' und ,rassistisch'? Formen der Herrschaft im häuslichen Verband der Familie (Kap. 1 + 4 + 6 + 15)" sowie "La famille, une société naturelle?" Die Veranstaltung wird auf Deutsch und Französisch durchgeführt. Um die Texte zu erhalten, meldet euch bei uns: swip.switzerland@gmail.com.

Abstract: In den Aufsätzen zu Lockes zweiter Abhandlung über die Regierung und zu Rousseaus Konzeption der Familie beschäftige ich mich den sozialen Beziehungen innerhalb des Haushalts, die von der Antike bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Beziehung zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Herr und Sklave bzw. Diener umfasst. Beim Beitrag zu Locke handelt es sich um einen kritischen Textkommentar, dessen Redaktion mich zur Ausarbeitung des FNS-Forschungsprojekts Natural Law in Switzerland and beyond: sociability, natural equality, social inequality motivierte, das ich seit 2014 leite.

Die Moral- und politische Philosophie Lockes und Rousseaus gehören zur Tradition des modernen (protestantischen) Naturrechts, die sich im Gefolge von Grotius, Hobbes und Pufendorf in ganz Europa verbreitete – nicht zuletzt, weil das Natur- und Völkerrecht ab dem Ende des 17. Jahrhunderts als neue Disziplin an den Universitäten und anderen Hochschulen gelehrt wurde (dazu ein Überblick im Beitrag Protestant Natural Law, den ich für eine Enzyklopädie verfasst habe). Trotz einschlägiger Ausnahmen lässt sich festhalten, dass die meisten Naturrechtstheoretiker eine Vertragstheorie des Staates entwickelten und so die Legitimität der staatlichen Gewalt von der Zustimmung freier und gleicher Individuen abhängig machten, die sich im hypothetisch vorausgesetzten Naturzustand befinden, bevor sie Bürger des Staates werden. Obwohl die Philosophen der frühen Neuzeit dies selten explizit thematisieren, werden nur Männer zu Staatsbürgern, während Frauen, Kinder und Diener (oder Sklaven) als Mitglieder des Haushalts und damit unter der Herrschaft des pater familias in den Staat integriert werden. Daraus ergeben sich Fragen wie: wo wird in den Naturrechtstheorien über die Familie (bzw. den Haushalt) gehandelt? Wie werden die Herrschaftsbeziehungen innerhalb der Familie gerechtfertigt, wenn doch von Natur aus alle Menschen gleich und frei sind? Wie kommt es, dass Rousseau, der als scharfer Kritiker der Herrschaft der Starken über die Schwachen, der Reichen über die Armen bekannt ist, die Herrschaft des Mannes über die Frau nicht infrage stellt, sondern im Gegenteil jeder Kritik zu entziehen versucht? Wie lässt sich erklären, dass die Naturrechtstheorie selbst (in Gestalt der Theorie natürlicher und unveräusserlicher natürlichen Rechte) zu einem Hebel für die Emanzipation der Frau werden konnte?

Veranstaltende: SWIP Bern
Datum: 28.03.2018
Uhrzeit: 18:15 - 19:45 Uhr
Ort: B225 ("Aquarium"), 2. OG
Unitobler, Institut für Philosophie
Länggassstrasse 49a
3012 Bern
Merkmale: Öffentlich
kostenlos